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OKR formulieren – Beispiele, aus denen du wirklich etwas lernst

In diesem Blogbeitrag erhältst du praxisnahe Einblicke in die Formulierung von OKRs. Wenn du mehr über OKRs, ihre Formulierung und die wichtigsten Aspekte erfahren möchtest, die du beachten musst, dann ist dieser Beitrag genau das Richtige für dich.

Rebekka Zsok

24.4.2024

OKR formulieren – Beispiele, aus denen du wirklich etwas lernst: OKRs eines Restaurants

In dieser Blogreihe nehmen wir Beispiele für Objectives & Key Results unter die Lupe, challengen und verbessern sie.

 

Objectives und Key Results - Ein Beispiel aus der Praxis

Es ist völlig normal, dass Objectives oder Key Results am Anfang nicht perfekt formuliert sind. Beispiele sind besonders wichtig, vor allem beim Einstieg in OKR, da sie Sicherheit vermitteln. So geht ihr mit mehr Übung in das nächste Planning. Das OKR Beispiel für diesen Beitrag: ein einfaches Praxisbeispiel eines Restaurants, das ich im Internet bei den okrexperten.de gefunden habe. Es gibt verschiedene Wege, OKRs zu formulieren. Beim Challengen beziehe ich mich auf unsere HelloAgile Praxis. Los geht’s!

O: Wir haben durch eine Rundum-Optimierung unserer Angebote und Services den kulinarischen Genuss und die Attraktivität unserer Angebote für unsere Gäste gesteigert und diese damit begeistert.

KR 1: Wir haben den Anteil der Gäste, die ein Hauptgericht und eine Vor- oder Nachspeise bestellen, von 30% auf 60% gesteigert, um damit den kulinarischen Genuss zu bereichern und zu vollenden.

KR 2: Wir haben die durchschnittliche Anzahl der Getränke pro Gast, von 1,8 auf 2,5 gesteigert, um damit den kulinarischen Genuss abzurunden.

KR 3: Wir haben die Anzahl neuer Gäste, die auf Empfehlung von Stammgästen kommen von durchschnittlich 20 pro Woche auf 30 pro Woche gesteigert, um damit unsere Stammkundschaft für eine gleichmäßige Auslastung und nachhaltigere Umsätze zu erweitern.

KR 4: Wir haben die Google Bewertung unseres Restaurants von 2,8 auf 4,5 Sterne gesteigert, um damit potenzielle Gäste von unserer Qualität zu überzeugen.

Der erste Eindruck vermittelt hier, dass in dem OKR ziemlich viel drinsteckt. Das werden wir kritisch unter die Lupe nehmen, indem wir schauen, wie man einen besseren Fokus bei Objectives schafft, Key Results sinnvoll messbar macht und was es heißen kann, agil zu lernen.

 

Challenging OKR: Die Formulierung von Objectives

Lasst uns das Objective hier einmal Wort für Wort auseinandernehmen. Bei der Formulierung der „Rundum-Optimierung“ wird es unter den Restaurantmitarbeitenden Diskussionen geben, worum es bei dem Ziel für das Quartal gehen könnte. Aus welchem Grund? Folgende Fragen stellen sich mir hier: 

Was bedeutet „rundum“ und was genau soll optimiert werden? Der Begriff "Rundum-Optimierung" stellt eine doppelte Blackbox dar, über die wir sprechen müssen, um herauszufinden, was genau, in welchem Umfang und bis zu welchem Zielzustand optimiert werden soll. Alle Mitarbeitenden sollen das gleiche, genaue Zielbild vor Augen haben, damit das Objective wertvoll ist.

Auch, wenn man etwas „gesteigert“ haben möchte, stellt sich mir die Frage, was bei dieser Prozessbeschreibung der Outcome sein soll. Eine Steigerung der Attraktivität der Angebote? Begeisterte Kund:innen? Woran merke ich überhaupt, dass die Kund:innen begeistert sind? Was bedeutet für das Team „begeistert“? Applaudieren die Kund:innen vielleicht, geben gute Google Bewertungen oder mehr Trinkgeld?

Diese unzulängliche Zielgenauigkeit wird noch durch drei „und“ thematisch verbreitert, was den Kohl hier jetzt auch nicht mehr fett macht. Denn wie wir bereits ahnen, sind all diese Fragen ein guter Indikator dafür, dass hier alles gewollt und dadurch nichts spezifiziert wird. Aus diesem Objective können in diesem Beispiel für den Zyklus mehrere Objectives abgeleitet werden. Ihr seht also, gute Objectives zu formulieren, ist gar nicht so einfach.

Als Erinnerung: Wir möchten mit dem Objective die Frage beantworten können, welcher Zustand konkret in drei Monaten erreicht sein soll. Und das möglichst präzise. OKR liebt Präzision.

 

Wie formuliere ich in diesem Beispiel ein gutes Objective? 

Lasst uns diesen großen Kuchen ´mal in portionsgroße Stücke schneiden.

Angenommen, es geht uns wirklich darum, sowohl die Speisenvielfalt als auch die Services zu erweitert, dann würde ich zwei Objectives daraus machen. Dadurch ergibt sich ein besserer Fokus auf die jeweiligen Ziele. Durch diesen Fokus entsteht wiederum eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass das Ziel innerhalb von drei Monaten erreicht wird. Man könnte auch drei Objectives daraus machen, wenn man sich in drei Themenhäppchen der Optimierung widmen wollte. Mit der magischen Drei wäre dann unsere empfohlene Anzahl an Zielen für ein OKR-Set erreicht. Aber Achtung, an den Objectives muss unabhängig voneinander gearbeitet werden können!

Ich bleibe mit meinem Beispiel bei 2 Objectives:

Objective 1: Unsere Kund:innen können sich zwischen den neuen kulinarischen Angeboten kaum entscheiden.

Bei diesem Beispiel beziehe ich mich auf den kulinarischen Genuss, der die Gäste begeistern soll. Bei der Umformulierung des Zielbildes haben mir folgende Fragen geholfen: Was genau möchte ich in 3 Monaten erreicht haben? Was ist meine Mini-Vision zu diesem Zustand? Woran könnte ich dann beobachten, dass dieser Zustand erreicht ist?

 

Inhaltlich könnten wir uns damit auseinandersetzen, ob das Team das kulinarische Angebot erst entwickelt oder bereits an den Kund:innen testet. Es wäre doch fantastisch, wenn die Kund:innen vor lauter großartigen Angeboten um Probierteller bitten oder sich zwischen dem Angebot kaum entscheiden können. Beides wären legitime Objectives.

In Objective 2 beziehe ich mich auf die Optimierung des Serviceangebotes. Was genau soll dabei optimiert werden? Geht es darum, Gerichte schneller zu kochen? Sollen möglichst unterschiedliche Zielgruppen den Service nutzen oder eher eine bestimmte? Ich entscheide mich hier fiktiv für die Verbesserung der Schnelligkeit im Service und formuliere es ambitioniert:

 

Objective 2: Unser Service dauert von der Bestellung bis zur Speise auf dem Tisch weniger als 15 Minuten.

 

Wie formuliere ich in diesem Beispiel gute Key Results?

Schauen wir uns nun die Key Results zu dem originalen Objective an.

KR 1: Wir haben den Anteil der Gäste, die ein Hauptgericht und eine Vor- oder Nachspeise bestellen, von 30% auf 60% gesteigert, um damit den kulinarischen Genuss zu bereichern und zu vollenden.

Abgesehen davon, dass es unklar ist, ob das Objective wirklich auf Menüs abzielte, haben wir hier ein Lag Measure. Wir versuchen nicht das Ergebnis zu messen, sondern das, was uns zu dem Ergebnis führt, den Lead Measure. Diesen Einfluss, den wir ausüben, geben wir im Weekly durch. Falls das Key Result nicht vorankommt, kann das Team agil darauf reagieren und es anpassen.

Auch bei Key Results gilt: Präzision! Und im Beispiel finde ich diese nicht. Das geht direkt weiter: Das „warum“ steht im Objective. Hier im Key Result ein „um..zu“ im Nachsatz zu ergänzen, bringt noch eine neue Perspektive herein. Fokus, ihr Lieben! Hier also die Verbesserungsvorschläge:

Version 1: Wir empfehlen unser neues Menü auf 10 unterschiedliche Arten.

Version 2: Wir testen 6 neue Vor-/Nachspeisevariationen.

Diese zwei Vorschläge als Key Results bespielen unterschiedliche Dimensionen, die messbar sind. Bei dem ersten geht es um die Steigerung der Nachfrage, beim zweiten um die Erweiterung des Angebots. Dies zeigt deutlich, wie unklar es ist, was das eigentliche Ziel im Beispiel ist. Meine zwei Vorschläge könnten gute Key Results sein, je nachdem, was man erreichen will.

KR 2: Wir haben die durchschnittliche Anzahl der Getränke pro Gast, von 1,8 auf 2,5 gesteigert, um damit den kulinarischen Genuss abzurunden.

KR 2 gleicht im Prinzip dem Mechanismus von KR 1. Deswegen hier meine Empfehlung: Erstmal rauslassen und später wieder aus der Schublade holen. Wenn man bei KR 1 nach drei Monaten gelernt hat, wie es am besten funktioniert, kann man es einfach auf die Getränke übertragen. So funktioniert OKR.

KR 3: Wir haben die Anzahl neuer Gäste, die auf Empfehlung von Stammgästen kommen von durchschnittlich 20 pro Woche auf 30 pro Woche gesteigert, um damit unsere Stammkundschaft für eine gleichmäßige Auslastung und nachhaltigere Umsätze zu erweitern.

Stammgäste kommen im ursprünglichen Objective gar nicht vor, wieso erscheinen sie dann hier? Das Key Result zahlt also gar nicht auf das Objective ein, richtig? Vielleicht wollte hier jemand noch sein persönliches Ziel für das Restaurant platzieren, was es nicht ins Objective geschafft hat?

Wir sehen in diesem Key Result außerdem wieder die Formulierung „um zu erreichen“. Das beschreibt ein Ziel und beantwortet nicht die Frage wie ich das Objective erreiche. Ihr erinnert euch: wo ich in 3 Monaten stehen will, haben wir bereits qualitativ mit der Minivision im Objective beschrieben.

 

KR 4: Wir haben die Google Bewertung unseres Restaurants von 2,8 auf 4,5 Sterne gesteigert, um damit potenzielle Gäste von unserer Qualität zu überzeugen.

An dieser Stelle frage ich mich folgendes: Kam die Google Bewertung ursprünglich im Objective vor oder werden hier Key Results genutzt, um heimlich wieder weitere Ziele zu platzieren? Eigentlich ist dieses KR 4 wieder ein neues Ziel, da es im Original Objective nicht enthalten ist. Ich erkenne als Coach darin aber auch, dass ich es mit einem sehr motivierten Team zu tun habe. Eine Steigerung von 2,8 auf 4,5 Sterne ambitioniert! Mal angenommen wir lassen dieses KR 4 durchgehen, schlage ich folgende Alternative mit einem Lead Measure vor, um die Kundenzufriedenheit zu messen: 

Wir haben 10 Kund:innen eingeladen, uns eine Bewertung mit Fotos unseres Menü bei Google Maps zu schreiben.

Und wieso nicht das leistungsstarke Team mit einem Moonshot herausfordern? Wie wäre es denn mit 100 Kund:innen?

Fragt ihr euch jetzt, wieso in diesem Beispiel ausgerechnet diese vier Key Results von dem Team des Restaurants ausgewählt worden sind und nicht andere Hebel betätigt werden? Tja, diese Frage ist berechtigt und doch gleich beantwortbar: Es ist vollkommen individuell, was das Team als nützliche Hebel erachtet. Ein anderes Restaurant könnte somit bei einem ähnlichen Objective ganz andere Hebel nutzen, wie z.B. Kundenumfragen machen, einen internen Vorspeisenworkshop veranstalten, oder das Preisangebot verändern. Wichtig ist, dass das Team von jedem OKR im eigenen OKR-Set überzeugt ist und sie motivierend findet.

Abschließend zu den KRs ist es wichtig, eine Sache präsent zu haben: Es wird nicht an den Key Results gemessen, ob das Objective erreicht ist. Sie stellen mehrdimensionale Hebel dar und dienen der Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, Erfolg zu haben. Es kann also der Fall auftreten, dass die Key Results in einem Quartal nicht vollständig erfüllt sind, das Objective allerdings schon! Gratuliere! 

 

Fazit für dieses OKR Beispiel

Was sind abschließend unsere 3 qualitativen Learnings zum Challengen von OKRs?

Präzision schafft Fokus

Je unkonkreter das Ziel, desto mehr Richtungen entwickeln die Hebel, desto mehr erlebt man Defokus, desto weniger wird das Potential von OKR ausgeschöpft. Oder positiv formuliert: Je konkreter das Ziel, desto fokussierter sind die Hebel in ihrer Mehrdimensionalität, desto mehr entfaltet OKR sein Potential. So können wir auch vermeiden, dass Key Results entstehen, die gar nicht auf das Objective einzahlen. Wenn es ein Thema in einem Quartal nicht ins OKR schafft, bedeutet das nicht, dass es aus der Welt ist und niemand weiter daran arbeitet. Es könnte zudem im darauffolgenden Quartal in den Fokus geraten und als qualitativ gutes Objective von Erfolg gekrönt werden.

Lead Measure statt Lag Measure

Scheinbar sind die Key Results in unserem Beispiel kontinuierlich messbar formuliert, doch der Schein trügt. Wenn ich das Ergebnis erst am Ende des Quartals komplett erfassen kann, dann ist es ein guter Indikator dafür, dass ein Lag Measure vorliegt. Man ist also auf einen Rückblick angewiesen. Das verhindert, dass wir während des Quartals agil bleiben und aus der Messung lernen. Wir möchten stattdessen einen Lead Measure mit dem wir beantworten können, wie man das Objective erreicht. Man kann damit jederzeit über den aktuellen Status eine Aussage treffen und somit abschätzen, was es noch braucht, um das Ziel im OKR-Zyklus zu erreichen.

OKR heißt, agil zu lernen

Wir haben an dem Beispiel KR 1 und KR 2 gelernt, dass ähnliche Themen voneinander profitieren können. Das passiert, wenn ein Team sich bei einem Thema fokussiert auf den Lernweg begibt, um sich die Ergebnisse dann bei anderen Themen zu Nutze zu machen. Das kann einiges an Zeit und Ressourcen sparen. 

 

Übung macht den OKR-Coach: Wie geht es weiter?

Nachdem wir jetzt gemeinsam ein OKR analysiert und drei zentrale Learnings herausgearbeitet haben, bin ich gespannt, wie eure Reise mit OKR weitergeht. Wie ihr seht, lohnt es sich, Beispiele aus dem Internet unter die Lupe zu nehmen und als außenstehende Person, kritisch zu betrachten. Wenn ihr in Zukunft Beispiele im Internet lest, bekommt ihr immer schneller einen Eindruck davon, ob diese OKR Beispiele gute Objectives und Key Results beinhalten oder eben noch gechallenged werden wollen.  Der Übungseffekt ist enorm und ihr verbessert eure Skills für die Formulierung eigener OKRs. Es bleibt immer noch knifflig genug, denn die eigenen Hühner sind am schwersten zu rupfen. Da ist ein:e Sparringspartner:in nützlich!

Habt ihr auch Lust bekommen OKRs zu challengen? Schickt mir gerne eure OKRs, dann schauen wir gemeinsam darüber.

Ich freue mich, von euch zu lesen!

Rebekka

PS: Hier findet ihr ein Beispiel für HR und hier ein Beispiel für Company OKR.

 

Rebekka Zsok

24.4.2024